Blockseminar „Krisendiskurse & Zukunfts-Narrative in Klimabewegungen Europas“

Im Sommersemester 2025 fand am transzent ein Blockseminar „Krisendiskurse und Zukunfts-Narrative in Klimabewegungen Europas“ statt. Ausgehend von der Prämisse, dass die Klimakrise nicht nur eine ökologische, sondern vor allem eine politische und gesellschaftliche Herausforderung darstellt, untersuchten Studierende aus der Politikwissenschaft und aus Lehramtsstudiengängen, wie soziale Bewegungen Krisendiskurse gestalten und mit Hilfe von Zukunfts-Narrativen versuchen gesellschaftlichen Wandel zu beeinflussen.

Am Beispiel der Klimabewegung setzten sich die Teilnehmenden mit aktuellen Krisendiskursen auseinander, analysierten deren Aufgreifen durch Aktivist*innen und untersuchten, wie Zukunfts-Narrative – ob utopisch, apokalyptisch oder post-apokalyptisch – mit Handlungs- und Proteststrategien zusammenhängen. Betrachtet wurden verschiedene Bewegungen, ihre Strategien und Kommunikationsformen sowie der Einfluss von Wissenschaft, Medien und politischen Akteuren. Ziel des Seminars war es, ein tieferes Verständnis für die politischen Dynamiken der Klimabewegungen zu entwickeln und ihre Rolle bei der Gestaltung gesellschaftlicher Zukunftsbilder zu reflektieren.
Zu Beginn des Blockseminars wurden theoretische Grundlagen vermittelt, darunter:
- eine Einführung in die Transformationsforschung
- zentrale Konzepte zum Verhältnis von Narrativen und gesellschaftlichem Wandel
- ein Überblick zu Klima- und sozialen Bewegungen im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche

Darauf aufbauend untersuchten die Studierenden Blogposts von Fridays for Future Deutschland aus den Jahren 2020 und 2021 und nutzten dazu qualitative Verfahren für die Analyse narrativer Strukturen. Analysiert wurde, welche Zukunftsvorstellungen (utopische, apokalyptische oder post-apokalyptische) sich in den Texten abzeichnen, wie diese im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen und Entscheidungsmomenten konstruiert sind und welche Rollen Akteuren zugeschrieben werden – etwa als Held*innen, Betroffene, Unterstützende, Verbündete, Verhindernde oder Widersacher*innen. Leitfragen der Analyse waren unter anderem: Welche Zielkonflikte und Normkollisionen finden sich in den Narrativen der Klimabewegung und etablierten (Krisen-)Diskursen? Wie hängen Narrative in den Zukunfts-Leitbildern und Programmatik unterschiedlicher Gruppen mit verschiedenen Protestformen und deren Umsetzung zusammen? Mit welchen narrativen Strategien wird politisches Agenda-Setting betrieben und welche Rolle spielen aktuelle gesellschaftliche Debatten?

Dabei stellten die Studierenden fest, dass sich Fridays for Future im Jahr 2020 von einer Protestbewegung zu einer vielstimmigen politischen Kraft entwickelt hat. Dabei wurden auch die Narrative differenzierter, globaler und stärker auf Gerechtigkeit fokussiert. Die Auswertung zeigte, dass zunächst eher apokalyptische Narrative vorgeherrscht haben: Es sollte mobilisiert und politischer Druck aufgebaut werden. Mit Beginn der Pandemie hatte sich der Protest dann vornehmlich in den digitalen Raum verlagert. Klimakrise und Pandemie wurden verknüpft, um über systemische Herausforderungen zu sprechen, solidarische Krisenrhetorik trat in den Vordergrund und Wissenschaft wurde als legitimatorische Autorität angeführt. Zunehmend rückte dann ein post-apokalyptisches Zukunftsbild in den Fokus, aber von einem resilienten Zukunftsbild begleitet. Der Fokus lag auf globalen Fragen, intersektionale Narrative nahmen zu und Systemkritik wurde deutlicher artikuliert.

Auch im Jahr 2021 konnte eine narrative Entwicklung beobachtet werden: Phasenweise war die Tonalität apokalyptisch-kritisch und der strategische Fokus lag auf internationaler Kritik und Politikbeobachtung. Zu anderen Zeiten stand Bündnisarbeit und gesellschaftliche Mobilisierung im Mittelpunkt, was sich in einer optimistisch-mobilisierenden Tonalität niederschlug. Die Bundestagswahl 2021 war ein Wendepunkt und sorgte für den Übergang von utopischen Gestaltungsvisionen zu post-apokalyptischen Widerstandsnarrativen, sodass ein widerständig-verteidigender Ton, mit inhaltlichem Fokus auf Katastrophenschutz und direktem Widerstand, insgesamt zunahm. Besonders die Ahrtal-Flut veränderte den Diskurs – der Fokus verlagerte sich von der Warnung vor zukünftigen Katastrophen hin zur Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Krisen-Realität.
Abschließend stand die Frage nach der praktischen Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse im Mittelpunkt: Wie kann das erworbene Wissen genutzt und weitergegeben werden? In einem von Design-Thinking-Methoden inspirierten Gruppenarbeitsprozess diskutierten die Studierenden für wen welches Wissen relevant ist und wie geeignete Kommunikationsformen aussehen können. Die Studierenden erarbeiteten einen Unterrichtsentwurf für angehende Erzieher*innen im ersten Ausbildungsjahr. Dieser zielt darauf ab, gemeinsam mit Kindern in der Kita über Narrative ins Gespräch zu kommen und ihnen Wege aufzuzeigen, sich als aktive Mitgestaltende einer nachhaltigen Zukunft zu verstehen. Der Unterrichtsentwurf steht unten zum Download bereit.

Das Projekt „Narrative Futures“ wird von 2023 bis 2026 als Pioniervorhaben zu Gesellschaftliche Transformationen von der VolkswagenStiftung gefördert.