Narrative Futures: Entwicklung eines inter- und transdisziplinären Ansatzes für die Konstruktion von Zukünften und die Gestaltung von Transformationspfaden durch Narrative

Blockseminar „Narrative urbaner Transformation“

Auf einem Tisch liegt ein Brownpaper, auf dem verschiedene beschriebene Moderationskarten liegen (z.B. mit "Nachhaltigkeit" oder "Kinder").

Im Wintersemester 2024/25 fand am transzent ein Blockseminar „Narrative urbaner Transformation mit interessierten Studierenden der Politikwissenschaft statt. Ziel war, sich am Beispiel Nachhaltiger Stadtentwicklung mit „Narrativen des Wandels“ auf unterschiedlichen politischen Ebenen, in Leitbildern und Zukunftsvisionen, politischen Programmen und Strategien zivilgesellschaftlicher Initiativen im Kontext urbaner Transformation zu beschäftigen.

Das Blockseminar hat damit den Allgemeinplatz „es braucht ein neues Narrativ“, der sich aktuell in fast jeder gesellschaftlichen Debatte findet, aufgegriffen. Dabei greift die etwas banale Idee, dass es einfach „nur“ eine überzeugende Geschichte braucht, damit Menschen sich einer Bewegung anschließen, ein bestimmtes Produkt kaufen oder ihr Verhalten ändern, zu kurz. Eine gute Geschichte führt nicht automatisch zu Veränderung im Handeln von Akteur*innen. Trotzdem spielen Narrative eine wichtige Rolle für die Transformation in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung.

 

Aus einem aufgefalteten Stadtplan von Wuppertal "wächst" der Mirker Bahnhof (das Gebäude von Utopiastadt) umgeben von Bäumen.

Nach einer Einführung in Grundlagen der Transformationsforschung, aktuelle Literatur zur Rolle von Narrativen in Transformationsprozessen und das Themenfeld Nachhaltige Stadtentwicklung haben die Teilnehmenden sich intensiv mit drei Pilotprojekten der Nationalen Stadtentwicklungspolitik beschäftigt. Dabei wurden verschiedene Fragestellungen bearbeitet: Welche Zielkonflikte und Normkollisionen finden sich in den Narrativen nachhaltiger Stadtentwicklung auf unterschiedlichen Ebenen? Wie hängen Narrative in politischen Leitbildern mit konkreter Programmatik und Umsetzung zusammen? Mit welchen narrativen Strategien wird politisches Agenda-Setting betrieben und welche Rolle spielen aktuelle gesellschaftliche Debatten?

Unter einem schräg stehenden Whiteboard, auf dem ein Entwurf für das Planspiel zu sehen ist, steht ein weißer Hund mit schwarzen Punkten.

Um diese Fragen zu beantworten wurde unterschiedliches Datenmaterial zur Analyse der drei Pilotprojekte zusammengetragen. Die Studierenden haben sich dann auf die Suche nach narrativen Zukünften rund um die Pilotprojekte gemacht. Es wurde analysiert, welche Zukunftsvorstellungen (utopische, apokalyptische oder post-apokalyptische) sich in den Narrativen finden, wie diese rund um bestimmte Ereignisse und Entscheidungsknotenpunkte konstruiert sind und welche Rollen unterschiedliche Akteure zugewiesen bekommen (Protagonist*innen, Adressat*innen, Verbündete, Verhindernde oder Widersacher*innen). Die Ergebnisse der Analyse wurden auf kreative Weise in ein selbst-entwickeltes Planspiel übertragen, mit dem unterschiedliche narrative Zukünfte erprobt und diskutiert werden konnten.

Oben im Bild sind vier Wolken abgebildet, in denen jeweils steht: Krise = Wendepunkt, Gemeinsame Gestaltung, Utopie = Prozess und Komplexität wird erfahrbar. In der Zeile darunter steht "Problem + Apokalypse = Chance". Von allen Wolken gehen Verbindungen zu Chance, von der ersten außerdem eine Verbindung zum +. Von Chance geht eine Verbindung zu "Utopie" ganz unten im Bild. Unter der Chance steht Handlungsapelle auf der einen Seite, dem gegenüber stehen Unterstützende, Protagonist*innen und Mentor*innen/Auftraggebende. Von dort geht außerdem eine Verbidnung in die unterste Zeile in der "Lösung + Ereignisse → Prä-Utopie → Utopie.

Im ersten betrachteten Pilotprojekt „Was wäre wenn…? Eine Stadt probt ihren Untergang“ in Nürnberg sollen Lösungen angesichts der eskalierenden Klimakrise entwickelt werden. Dafür entwickeln Stadtgesellschaft und Expert*innen gemeinsam auf der Grundlage eines wissenschaftlich fundierten Szenarios Strategien und konkrete Projekte. Die Studierenden analysierten, dass das Projekt durch vier ineinandergreifende Leitnarrative geprägt ist: Die Krise ist ein Wendepunkt, Zukunft wird gemeinsam gestaltet, Narrative machen Komplexität erfahrbar und Utopie ist ein gemeinsamer Prozess.

In der ersten Zeile steht in drei Wolken: Wiederaufbau, Gemeinsame Gestaltung und WANDEL Stadt. In der Zeile darunter steht Problem + Apokalypse. Darunter steht Mentor*innen/Auftraggeber*innen → Handlungsapelle → Unterstützende und Bürger*innen → Wandel. Von den Wolken gehen jeweils Verbindungen zu Wandel. Vom Wandel geht ein Pfeil zum + zwischen Problem und Apokalypse. Von dort gibt es eine Verbindung zu Mentor*innen/Auftraggeber*innen und einen Pfeil zu Handlungsapelle. Vom Wandel geht außerdem ein Pfeil in die letzte Zeile. Dort steht Lösung + Ereignisse positiv → Prä-Utopie → Utopie.

Das zweite Projekt, die WANDELpfad Co-Working-Galerie in Homberg (Efze) soll resilienzorientierte Stadtentwicklung in Kleinstädten im ländlichen Raum durch Schaffung eines zivilgesellschaftlichen Netzwerks erproben. Dazu wird ein zentraler Leerstand in der historischen Altstadt zu einem multifunktionalen Ort für Austausch und kulturelle Nutzungen und Vernetzung verschiedener Teilbereiche der Stadt durch einen barrierefreien „WANDELpfad“ entwickelt. Das Projekt wird von drei übergreifenden Leitnarrativen (Homberg erfährt einen Wiederaufbau, Homberg wird gemeinsam gestaltet, Homberg als WANDELstadt) geprägt, in denen der Wandel das zentrale, verbindende Motiv bildet.

Schematisch ist ein Superblock dargestellt: Innerhalb eines schwarzen Rechtecks normaler Straßen befinden sich 4 grüne Straßen, die sich kreuzen. Auf diesen dürfen sich Autos und Fahrräder mit maximal 10 km/h bewegen, um den Raum fußverkehrsfreundlich zu gestalten.

Im Leipziger Projekt „SUPERBLOCKS“ geht es darum, ein Quartier nach dem Vorbild Barcelona in einen „Superblock“ mit fußverkehrsfreundlich öffentlichen Räumen, Fahrrad- und Spielstraßen zu verwandeln. Dazu wird eine kommunikative Basis für eine koproduktive Zusammenarbeit angestoßen und sich außerdem schrittweise an Superblock-Elemente herangetastet, die künftig verbunden werden können.

In allen drei Fällen dokumentierten die Studierenden wiederkehrende Muster: Wandel ist keine Bedrohung, sondern eine Chance zur Erneuerung, Krise ist kein Endpunkt, sondern ein Ausgangspunkt für positive Entwicklung, Zukunft entsteht durch partizipative Prozesse und zivilgesellschaftliches Engagement, die Stadt ist ein Experimentierfeld und Transformation wird als offener, fortlaufender Prozess verstanden.Die Seminarergebnisse wurden von Fabienne Paß im Rahmen des Forschungsprojekts als Fallstudien zum Download aufbereitet und gestaltet und fließen in die laufende Forschung im Projekt „Narrative Futures“ mit ein.  

Download Nürnberg
Download Homberg

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Das Projekt „Narrative Futures“ wird von 2023 bis 2026 als Pioniervorhaben zu Gesellschaftliche Transformationen von der VolkswagenStiftung gefördert.